Ein erschütternder Bericht aus der „Hölle“ und die Hoffnung

Die Zeitzeugin Hanna Zimmermann erzählt über das Schicksal der Kinder im Ghetto.
Die Zeitzeugin Hanna Zimmermann erzählt über das Schicksal der Kinder im Ghetto.
Frau Zimmermann übergibt das Buch von Tommy mit Widmung an unsere Geschäftsführerin Sonja Spiegler.
Frau Zimmermann übergibt das Buch von Tommy mit Widmung an unsere Geschäftsführerin Sonja Spiegler.


Zeitzeugin Hanna Zimmermann an unserer Schule

Am Dienstag, 15.12.2015, besuchte die 91-jährige Hanna Zimmermann zum vierten Mal unsere Schule, um den Schülern der 8.-10. Klasse, den Montessori-Fachoberschülern und Gästen von der Anton-Rauch-Realschule aus ihrem Leben zu erzählen.

Hanna Zimmermann musste bereits als Kind mit 12 Jahren die deutsche Schule in Aussig (Tschechoslowakei) verlassen, durfte nur kurze Zeit eine jüdische Schule besuchen und kam dann mit ihrer Familie ins Ghetto nach Lodz. Von dort führten sie mehrere Stationen über die Konzentrationslager von Auschwitz und Bergen-Belsen ins Arbeitslager Salzwedel. Von 17 bis Mitte 20 war sie unter unvorstellbaren Bedingungen in diesen Konzentrationslagern: „Auschwitz und Bergen-Belsen waren die Hölle. Wir hatten das Gefühl außerhalb der Welt zu sein. Ich kann Euch das gar nicht alles erzählen. Es war noch viel schlimmer als man überhaupt sagen oder sich vorstellen kann.“

Anhand des Buches von Bedrich Fritta „Für Tommy zum dritten Geburtstag in Theresienstadt“ (Verlag Friedrich Pustet) gab Hanna Zimmermann einen Einblick in die Situation von Kindern, die mit ihren Eltern in den Ghettos und den Konzentrationslagern leben mussten. „Meistens nicht lange. Es gehörte nicht zum Plan der Nazis, dass die jüdischen Kinder das überleben. Von den 15.000 Kindern im Ghetto Theresienstadt überlebten nur 100. Tommy Fritta-Haas gehört zu diesen wenigen, und ich habe ihn viele Jahre später als Erwachsenen mehrmals in Prag getroffen.“

Ihr Leben sei auch nach diesen grauenvollen Jahren nie mehr ein normales geworden, antwortet Hanna Zimmermann auf eine Schülerfrage: „Ich wog 36 kg bei der Befreiung und musste monatelang unter Überwachung eines amerikanischen Arztes wieder essen lernen. Ich konnte jahrelang nicht alleine in einem Zimmer schlafen und habe im Traum so laut geschrien, dass ich mich vor den Nachbarn geschämt habe. Es wollte auch niemand etwas von uns hören über diese schreckliche Zeit. In der Familie haben wir auch nicht darüber gesprochen, lieber nicht…“

Die Schüler durften ohne Scheu alle Fragen an die Zeitzeugin stellen, die sie interessierten. Frau Zimmermann antwortete darauf offen und ehrlich und mit einem sehr feinen Gespür, was sie den Schülern zumuten konnte. Und sie gab ihnen einige wichtige Botschaften mit auf den Weg: „Ihr habt an all dem nicht die geringste Schuld. Aber lasst nicht zu, dass wir vergessen werden und dass so etwas jemals wieder passiert. Zurzeit kann ich es kaum ertragen die Bilder von Flüchtlingen zu sehen – es sind für mich wieder Menschen, die völlig schuldlos ihre Heimat verlassen müssen. Seid Euch immer bewusst, in welcher friedlichen Zeit und unter welchen glücklichen Umständen Ihr leben und lernen dürft. Ihr habt alles an Unterstützung, um zu friedfertigen Menschen zu werden. Ich freue mich so sehr mit Euch über Euer gutes Leben. Ihr seid unsere Hoffnung.“

Dass diese Botschaften bei den gebannten Zuhörern auch ankamen, zeigt sich in den Briefen, die etliche Schüler am nächsten Tag an Hanna Zimmermann schrieben:

  • „Der Dienstag hat meine Ansicht auf das Leben komplett verändert. Ich sehe, was ich alles habe,  ich habe eine warme Behausung, ich schlafe immer ohne Hunger ein und ich habe die besten Menschen um mich, die es nur geben kann. Sie haben uns allen die Augen geöffnet.“ (Sophia)
  • „Mich persönlich haben sie sehr beeindruckt, und ich weiß gar nicht, wohin mit meiner Bewunderung. Wie haben Sie denn diese Dinge erleben, verarbeiten und jetzt sogar erzählen können? Sie sind ein unglaublich offener, herzlicher und liebevoller Mensch geblieben, in dem nicht das kleinste Fünkchen Wut oder gar Hass glimmt.“ (Divya)
     
  • „Ihre Geschichte hat mich sehr berührt und viel in mir ausgelöst. In Zukunft möchte ich anderen Menschen helfen, die es nötig haben. Hier habe ich noch ein Gedicht für Sie, das ich selbst geschrieben habe:

 

Einst war ich noch ein glückliches Kind
doch dann kam er und verurteilte alle, die anders sind.

Ich wurde zur Arbeit gezwungen,
keiner konnte fliehen, es ist keinem gelungen.

Ich wurde getreten, geschlagen und mir wurde die Würde genommen,
bis heute sehe ich jedes Bild klar, keins ist verschwommen.

So viele wurden getötet, so viele sind gestorben.
Und doch hat keiner gewonnen und alle verloren.

Die Narben werden nie weggehen, nie werden sie verheilen.
Im Herzen sind sie und dort werden sie bleiben.“
(Luisa)